02 Okt Das Dornröschen der Nordsee – 90 Jahre Baltrum-Linie

Langsam und vorsichtig manövriert die Baltrum II sich aus dem Inselhafen und setzt Kurs auf Neßmersiel. An einigen Stellen gleitet das Schiff nur wenige Zentimeter über dem Meeresgrund durch die Wasserstraße. „Langsam ist manchmal schnell“, sagt der Seniorchef der Reederei Baltrum-Linie in Neßmersiel, Onno Ulrichs.

Wenn das Schiff zu schnell fährt, kann es sich bei Niedrigwasser am Meeresgrund festsaugen, weiß der gelernte Schiffsingenieur. Gemeinsam mit seiner Tochter Christina Ulrichs führt er das Geschäft. In diesem Jahr feiert die Baltrum-Linie ihr 90-jähriges Bestehen. 1928 wurde das Unternehmen von den Seeleuten Ulrich Albers, Ulrich Meyer und Johann Küper gegründet. 1931 fusionierte die Baltrum-Linie Albers, Meyer & Küper mit dem Fährschiffer Onno Reemts Ulrichs und seinem Kompagnon Georg Küper.

Mit dem Fahrgastschiff Baltrum I stellten sie in der Gründungszeit von Norddeich die Versorgung nach Baltrum sicher. Erst im Laufe der Zeit wechselte die Reederei ihren Festlandstandort nach Neßmersiel.
Heute ist die Baltrum-Linie ein Betrieb mit rund 35 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 3,7 Millionen Euro. Die Reederei betreibt vier Schiffe. Neben dem Versorgungsschiff Baltrum II sind noch die Fähren Baltrum I und III sowie das Jetboot Baltrum IV im Einsatz.

Rund 115.000 Touristen befördert die Reederei jährlich auf die Insel. Die Schiffe kommen zusammengenommen auf rund 1.300 Fahrten pro Jahr zwischen Neßmersiel und Baltrum. Baltrum ist mit nur 6,5 Quadratkilometern Fläche und rund 500 Einwohnern die kleinste ostfriesische Nordseeinsel und zieht vor allem Besucher an, die sich nach Ruhe und Entschleunigung sehnen. Statt Autos gibt es auf der Insel nur Pferdefuhrwerke. Weite Teile der Fläche bestehen aus Dünenlandschaften. Wahrscheinlich wird Baltrum auch deshalb von seinen Stammbesuchern liebevoll als „Dornröschen der Nordsee“, bezeichnet.

Christina Ulrichs ist wie ihr Vater ein Kind der Insel. Mittelfristig soll die gelernte Betriebswirtin die Geschäfte der Reederei komplett übernehmen. Sie weiß, dass bestimmte Dinge ihre Zeit brauchen. Doch in manchen Bereichen würde sie sich schon etwas mehr Tempo wünschen. „Wenn man sich so anhört wie das in der Gründungszeit der Reederei gelaufen ist, so kann man das kaum glauben. Da hat man gesagt: „Wir brauchen einen Hafen“ und dann wurde der einfach gebaut. Heute werden besonders im Planungswesen wichtige Bauvorhaben immer wieder blockiert und das kann nicht sein. Darum finde ich es richtig, wenn die IHK eine Beschleunigung der Planungsverfahren, wie in ihrem neuen Maritimen Papier beschrieben, fordert. Manchmal ist langsam eben nur langsam – und darunter leiden am Ende alle.“

Quelle: IHK – Wirtschaft Ostfriesland & Papenburg I 10/2018, Autor: Stefan Claus: https://www.ihk-emden.de/share/flipping-book/4223534/flippingbook.pdf